14.02.2013 - Wiener Zeitung

Obsorgestreit zwischen Österreicherin und Dänen eskalierte
Vater stellt sich nach Kindesentziehung

Auch der Pressesprecher von Anwältin Schönhart, Matthias Loinig von der Organisation "Väternotruf", glaubt, dass das OGH-Urteil rechtens war. Denn "von Rechts wegen" wäre Österreich und nicht Dänemark für das Sorgerechtsverfahren zuständig gewesen, meint er. Das dürfte allerdings nur bedingt stimmen, ist doch die Mutter zwei Wochen, nachdem der Vater den Antrag auf alleinige Obsorge in Dänemark gestellt hat, ausgereist. Hätte sie Dänemark früher verlassen, wäre der Fall klar gewesen. Auch Experte Nademleinsky meint, dass die OGH-Entscheidung "nicht so unangreifbar ist, wie es auf den ersten Blick scheint" und einen Schritt weitermeint, dass der OGH mit der Entscheidung überhaupt gegen internationale Konventionen verstoßen hätte. Und genau diese internationalen Konventionen machen den Fall nun noch ein Stück komplizierter: Die österreichischen Behörden kämpfen laut Justizministerium pro Jahr mit rund 25 internationalen Kindesentziehungen - und nicht immer ist die Rechtslage klar. Allerdings ist die Sache gerade im Umgang mit Dänemark besonders schwierig.

 

"Dänemark ist beim Sorgerecht wie Nigeria"

Denn die Dänen haben zwar das ESÜ - ein Instrument des Europarats - und das "Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung" (HKÜ) ratifiziert, nicht aber die sogenannte "Brüssel IIa-Verordnung". Diese regelt seit 2005 innerhalb der EU die wechselseitige Anerkennung von Ehe- und eben auch Obsorgentscheidungen. Da Dänemark als einziger der 27 Mitgliedstaaten diese Verordnung nicht ratifiziert hat, "ist Dänemark beim Sorgerecht wie Nigeria", sagt Nademleinsky. Sprich: Dänische Entscheidungen zur Obsorge oder zur Kindesrückführung werden in Österreich wie Entscheidungen eines Nicht-EU-Landes gewertet -und vice versa.

Das hat vor allem dann eine Auswirkung auf den aktuellen Fall, wenn es um die Frage geht, wer letztendlich über eine Rückführung Olivers entscheidet: Laut dem Haager Übereinkommen, dem auch Dänemark angehört, muss ein entführtes Kind in das Land zurückgebracht werden, wo es zuletzt seinen Lebensmittelpunkt hatte. Allerdings entscheiden darüber die Gerichte in dem Land, in dem sich das Kind aktuell aufhält. Laut Brüssel IIa wäre für die Letztentscheidung aber das Gericht in dem Land zuständig, in dem das Kind zuletzt gelebt hat. Weil die Verordnung in Dänemark aber eben nicht gilt und die dänische Rechtsauffassung schon in der Entscheidung über das Sorgerecht deutlich geworden ist, hat die Anwältin der Mutter kaum Hoffnungen, dass Oliver wieder nach Österreich kommt. Nichtsdestotrotz stellt einen Antrag auf Rückführung nach dem HKÜ.

Hansjörg Bacher, Sprecher Staatsanwaltschaft Graz, glaubt auch nicht, dass Thomas S. nach Österreich ausgeliefert wird. Kein EU-Mitgliedstaat liefert eigene Staatsbürger aus. Dass überhaupt ein europäischer Haftbefehl ausgestellt wurde, erklärt Bacher damit, dass auf Kindesentziehung eine Freiheitsstrafe von drei Jahren steht und der Vater geflüchtet ist. S.’ Anwältin, Barbara-Cecil Prasthofer-Wagner, sagte in der "Kleinen Zeitung", die Aktion ihres Mandanten könne nur ein "Akt der Verzweiflung" gewesen sein. Er habe auch immer wieder von seinem Besuchsrecht Gebrauch gemacht. Und sie habe noch nie einen Klienten erlebt, der sich "so konstruktiv und gesetzestreu" verhalten habe.